„Es geht uns gut.“ ist ein 2005
veröffentlichter Roman des Vorarlberger Schriftstellers Arno Geiger. Das Buch
wurde mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
Der Roman handelt in Wien im 13.
Wiener Bezirk Hietzing. Die Rahmenhandlung welche im Jahre 2001 von April bis
Juni angesiedelt ist, beschreibt wie der scheinbar antriebslose Phillip, der
Enkel der mittlerweile verstorbenen Großeltern Alma und Richard Sterk, die von
ihm im Vorjahr geerbte Villa ausräumt. Im Laufe der geschilderten
Aufräumarbeiten, bei welchen Richard von den zwei ukrainischen Arbeitern
Steinwald und Atamanow, unterstützt wird, kommt es immer wieder zu Rückblenden
auf die Familiengeschichte der Sterks.
Die einzelnen Kapitel, als
Binnenhandlungen ausgeführt, erzählen zeitlich abgegrenzt das Leben der
österreichischen Familie, von der Zwischenkriegszeit bis hin in die späten
achtziger Jahre. Der auktoriale Erzähler springt dabei zwischen der Geschichte
des Protagonisten Phillip, seinen Großeltern und seinen Eltern hin und her.
Dabei gibt er deutlichen Einblick in die Emotionen und Gedanken der einzelnen
Figuren. So wird die Geschichte seiner Großeltern Alma und Richard erzählt wie
sie in der Zwischenkriegszeit, während des 2. Weltkrieges und auch danach ihr
Leben führen. Auch wird die Beziehung der Großeltern beschrieben. Über ihre Tochter
Ingrid, der späteren Mutter von Phillip, lernt der Leser Peter den Vater von
Phillip kennen. Dabei wird auch die Beziehung von Ingrid zu Peter und zu ihrem
Vater Richard beschrieben, der die Beziehung zwischen Ingrid und Peter nicht
gut heißt. Der frühe Tod der jungen Mutter Ingrid leitet dann das Kapitel ein,
in welchem die Beziehung von Peter zu seinen Kindern erzählt wird. Richard wird
dement und Alma stirbt erst Jahre nach seinem Tod. Der Roman endet in dem
Phillip plant mit Steinwald und Atamanow auf eine Hochzeitsfeier in die Ukraine
zu fahren, um alles hinter sich zu lassen.
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Richard Stambaugh |
Durch die einzelnen zeitlich
abgetrennten Kapitel und die Gedanken der Figuren erhält der Leser einen guten
Einblick in die familiären Strukturen der einzelnen Dekaden. Richard der
Patriarch bestimmt noch das Glück seiner Familie im Alleingang, kommt dadurch
in Konflikt mit seiner Tochter Ingrid,
die bereits die Frauengeneration der Nachkriegszeit steht. Peter, welcher
anfangs als erfolglos gilt, schafft es dennoch eine passable Stelle beim
Kuratorium für Verkehrssicherheit zu bekommen. Durch den frühen Tod seiner Frau
Ingrid muss er sich jedoch alleine um die Familie kümmern. Er versucht im
Gegensatz zu Richard, welcher mit Ingrid gebrochen hat, die Verbindung zu
seiner Tochter Sissi nicht zu verlieren.
Arno Geiger schafft es in seinem
Roman verschiedenste Epochen der österreichischen Geschichte seit der
Zwischenkriegszeit zu präsentieren. So sei es die anfangs goldige
Zwischenkriegszeit, dann das düstere Kapitel des Anschlusses an
Hitlerdeutschland, welches durch die Machtlosigkeit Richards gegenüber den
Nazis sehr deutlich dargestellt wird. Er schafft es aber auch klar aufzuzeigen,
dass das österreichische Volk nicht nur aus Opfern, sondern auch aus Tätern
bestanden hat. Gerade die Geschichte von Otto, der Bruder von Ingrid, welcher
im Krieg als Mitglied der Hitlerjugend bei der Verteidigung von Wien gegen die
Alliierten fällt, lässt erkennen, wie sich auch das Österreichische Volk mit
den Ideologien von Hitlerdeutschland identifiziert hat.
Der Bruch, der nach dem Krieg heranwachsenden
Generation mit der Kriegsgeneration wird durch den Konflikt von Richard und
seiner Tochter Ingrid sehr deutlich. Die Nachkriegsgeneration konnte sich nicht
mit ihren Eltern identifizieren. Die uneingeschränkte Autorität des scheinbar
allmächtigen Patriarchen wird nicht mehr akzeptiert. Die Rolle der Frau in der
Gesellschaft gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dies ist auch durch das Medizinstudium
von Ingrid erkennbar, ein solches wäre noch eine Generation vorher unmöglich
gewesen, es wäre ihr als Frau schlichtweg nicht erlaubt worden. Es fand also
eine Entwicklung in der Gesellschaft statt, die Emanzipation der Frau. Es bleibt der Aufschwung nach dem Krieg in
welchem jeder, auch der scheinbar ungeschickte Peter, eine gute Arbeit bekommt.
Sprich, dem Volk geht es gut. Man fährt nach Süden in den Urlaub. Auch der Versuch von Peter seine
pubertierende Tochter zu verstehen, zeigt die Veränderung in der Gesellschaft,
weg von der Autorität hin zum Verständnis für Heranwachsende. Letztendlich ist
in Phillip als Vertreter der heutigen Generation zu erkennen, welche scheinbar
alles hat und dennoch nicht glücklich ist. Diese Generation ist weit weg von
Krieg und Hunger, hat dies auch nie erlebt, trotz dessen ist sie nicht
glücklicher als die vorhergehenden Generationen. Jede Generation hat mit ihren
eigenen Problemen zu kämpfen. Die eine Generation mit dem Krieg und die andere mit
einer um sich greifenden Gesellschaftlichen Depression.
Arno Geiger schafft es auch durch
die detaillierten Beschreibungen der Gefühle und Gedanken der Figuren, einen
sehr tiefen Einblick in deren fiktives Leben zu ermöglichen. Auch die besondere
Gestaltung der Dialoge hat einen maßgeblichen Einfluss.
Diese Einblicke zeigen, dass
jeder, wenn er auch Teil einer Familie also etwas großem, ist, dennoch in
seiner eigene Welt lebt. Jeder erlebt sein Leben in einer ganz besonderen
Individuellen Art. Wahrnehmung ist etwas sehr subjektives und so können zwei
Personen eine Situation verschieden wahrnehmen. Auch ist das eigene Leben immer
im Vordergrund und das der vorhergehenden Generationen verblasst mit der Zeit.
So wie Spuren im Sand nach mehreren Wellen nicht mehr sichtbar sind.
Das Erlebte ist sicherlich für den Einzelnen
sehr wichtig, jedoch am Ende, für das große Ganze unerheblich. Denn auch die
tiefsten Eindrücke im Sand verschwinden irgendwann.
Alexander Wachter
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