Das Gedicht “Vor dem Tor” ist ein
Auszug aus der im Jahre 1808, veröffentlichten Tragödie “Faust, Tragödie erster
Teil.” In der Tragödie wird die Geschichte des Doktor Faustus erzählt. In
diesem Auszug der Tragödie erzählt Faustus, was er sieht als er mit seinem
Schüler Wagner einen Osterspaziergang unternimmt.
Das Gedicht stammt aus der
Literaturepoche der Klassik. Vor dem Tor” besitzt keine Strophen im
herkömmlichen Sinne, es ist in einem Stück durchgehend geschrieben. Als
Reimschema wechseln sich Block- (ab ba) und Kreuzreime (ab ab) unregelmäßig ab.
Das lyrische Ich, Faustus,
erzählt, wie sich die Natur vom Einfluss des Winters befreit. Gewässer tauen
auf, die Sonne scheint und die Natur grünt. Doch es ist noch nicht Sommer, denn
obwohl die Sonne den Schnee bereits zum Schmelzen bringt, kommt es vor, dass es
zu Graupelschauern kommt. Auch blühen die Blumen noch nicht. Der Frühling hat
gerade erst begonnen. Die Menschen, welche sich im Winter in ihren Häusern
aufhielten, verlassen diese nun und gehen durch das Stadttor hinaus in die
Sonne und in die Natur. Die Menschen feiern Ostern und die Auferstehung Jesus
Christus.
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„Schlick-Faust“ von Gustav Schlick www.wikipedia.com |
Der kommende Frühling befreit die
Menschen von ihren oft engen und niedrigen Häusern in welchen sie
zusammengepfercht auf den Sommer warteten. Vor dem Hintergrund der damaligen
Zeit muss der Winter eine harte und entbehrungsreiche Zeit gewesen sein. Kurze
kalte Tage und lange kalte Nächte.
So wie die Natur erwacht,
erwachen dann auch die Menschen zu leben. Sie strömen durch das hohle finstere
Tor nach draußen in die Sonne in die erwachte Natur.
Ostern fällt in den Frühling. So
wird die Auferstehung Christi gleichzeitig mit der Auferstehung der Natur aus
dem Winter gefeiert. Denn wie Goethe schreibt, muss der warme Frühling nach
einem harten Winter einem neuen Leben, einer Auferstehung von einer Starre wie
der eines Toten, geglichen haben. Da besteht also eine Analogie zwischen der
Wiedergeburt Jesus und dem Wiedererwachen der Menschen aus der winterlichen
Starre.
Es treibt die Menschen vor das
Stadttor, in die Natur und die Gärten. Sogar der Fluss hat wieder Wasser und
kann von den Menschen zum Transport genutzt werden. Auch zieht es die Menschen
in die Berge, denn man sieht die Kleidung des einen oder anderen Wanderers schon
von der Weite. Die Menschen genießen die neu erlangte Freiheit.
Auch das Dorf wacht auf, es kommt
Bewegung in das Dorfleben. “Zufrieden Jauchzen Groß und Klein.” Denn gerade
diese Zeit ist auch für das Volk, also nicht nur die Reichen, eine Zeit des Genusses
und des Feierns. Denn mit dem Ostersonntag beginnt auch die 50 Tage dauernde
österliche Freudenzeit.
Auch Faust selbst ist von diesem
Erwachen und Trubel angetan und bringt sein Wohlbefinden deutlich zum Ausdruck
in dem er sagt: “Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!”.
“Vor dem Tor” beschreibt recht
authentisch die Bedeutung von Frühling und Ostern für die Menschen des 19.
Jahrhunderts. Für die Menschen war der Frühling nicht nur ein Erwachen der
Natur, Ostern nicht nur die Wiedergeburt von Jesus, sondern regelrecht eine
Wiedergeburt ihrer selbst und ihres eigenen Lebens.
Alexander
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